Als wir letzte Nacht noch einmal kurz aus dem Zelt raus sind könnten wir den irren Sternenhimmel bewundern. So hell und deutlich habe ich die Milchstraße seit Maine nicht mehr gesehen! Da der Himmel fast wolkenlos war, wurde es aber auch gut frisch. Ich glaube, es waren so in etwa um die fünf Grad und da sind unsere leichten Schlafsäcke schon am Limit. Zumindest haben uns die Viecher nicht aufgefressen. Die klebten morgens alle im Kondenswasser am Außenzelt. Das sah schon fast schwarz aus!
In der Hoffnung, dass es auf der Terrasse der Bar nicht ganz schlimm sei, haben wir all unser Zeug dort rüber geschleppt um ohne ständig mit den Armen zu wedeln, die Rucksäcke zu packen. Die Hoffnung wurde natürlich enttäuscht. Nicht mal unser super aggressives Mückenspray hat gegen die kleinen Plagegeister geholfen! Da half nur Beeilung und nix wie weg. Solange man in Bewegung ist oder der Wind weht ist es nämlich fast erträglich. Außerdem hat uns eine Einheimische noch erklärt, dass die Viecher in diesem Jahr ziemlich spät dran sind, da der Sommer eher schlecht war. Dafür rächen sie sich jetzt an uns!
An einer windigen Stelle, haben wir zusammen mit einigen anderen eine kurze Pause gemacht und um zwölf waren wir am Abzweig nach Crianlarich. Da hatten wir sowohl die Hälfte des Tages als auch des West Highland Ways (ohne die Besteigung von Ben Nevis) geschafft. Pause machen war aber nicht drin, da wir schon von weitem gesehen haben, wie zwei andere Wanderer immer wieder versuchten die Midgies zu vertreiben. Eine gute Stunde später haben wir dann eine viehzeugfreie Stelle gefunden und konnten endlich Mittag essen.
Als wir wieder in Richtung Tyndrum unterwegs waren, fingen wir mit den Gedankenspielen an. Es war absehbar, dass wir spätestens um drei unser Tagesziel, das Hostel an der Lower Station von Tyndrum, erreichen würden. Veronika wollte auf jeden Fall mindestens noch den eine Kilometer bis in den Ort gehen, damit wir den morgen, an unserem längsten Tag, nicht auch noch machen müssten. Irgendwie kamen wir dann aber auf die Idee, dass wir ja auch schon heute die über 30 Kilometer machen und direkt bis zur Bridge of Orchy laufen könnten. Also habe ich das Hotel angerufen und gefragt, ob sie noch ein Zimmer hätten. Ja, zu einem astronomischen Preis… Ein wenig konnte ich sie noch runterhandeln und die Entscheidung war gefallen.
Um halb vier ging es los auf die letzten 10 Kilometer. Was bringt Veronika dazu, schnell zu laufen?! Ein richtiges Bett, eine Dusche, Mücken, Regen und die Aussicht auf gutes Essen. Mücken und Regen waren nicht zu sehen, gutes Essen erwarten wir hier leider nicht mehr aber müde Füße helfen anscheinend auch. Nach eineinviertel Stunden hatten wir die Hälfte hinter uns und die Füße taten mehr als weh. Es ging die ganze Zeit auf einer Schotterpiste entlang, was echt nicht angenehm war. Das hat Pacemaker aber nicht daran gehindert, noch schneller zu werden! Nach einer weiteren Stunde, um viertel vor sechs, standen wir völlig fertig vor dem Hotel.
Ich bin mir nicht sicher, ob das Zimmer seinen Preis rechtfertigt, aber es ist schön das schönste, das wir bisher hier hatten. Das hindert den gemeinen Wanderer natürlich trotzdem nicht daran überall sein Zeug zu verteilen und das Zelt in der Dusche zum Trocknen aufzuhängen… Als das erledigt war, ging es ins Restaurant. Das war definitiv das beste Essen, das wir hier bisher bekommen haben! Es war so gut, das Veronika sogar wieder eine ihrer wilden Theorien entwickelt hat: da kein Brite so gut kochen kann, müssen sie einen französischen Wanderer, der seine Rechnung nicht bezahlen konnte, zum Küchendienst gezwungen haben um seine Schulden zu begleichen. Da der arme Kerl aber keine Ahnung von britischen Stundenlöhnen hat, kocht er da noch heute!
Morgen geht es auf entspannte 19 Kilometer, also müssen wir erst um acht aufstehen. Gute Nacht!
Noch 73,7km